"Er kommt erst dann ins Spiel, wenn es um Friedensverhandlungen geht"

Kirchenhistoriker: Papst muss in Kriegen neutral bleiben

Veröffentlicht am 26.05.2023 um 10:51 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Papst Franziskus muss sich Kritik gefallen lassen, weil er den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht deutlicher verurteilt. Der Berliner Kirchenhistoriker Stefan Samerski erklärt, warum der Pontifex so agiert.

  • Teilen:

Viele Menschen hätten sich von Papst Franziskus eine deutlichere Verurteilung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gewünscht. Dass er jedoch zurückhaltend agiere, liege ganz auf diplomatischer Linie des Vatikan, sagte der Berliner Kirchenhistoriker Stefan Samerski am Donnerstag im Deutschlandfunk.

Es sei wichtig, dass sich der Papst als moralische Instanz nicht von der einen oder anderen Kriegspartei instrumentalisieren lasse, so Samerski weiter. "Er kommt erst dann ins Spiel, wenn es um Friedensverhandlungen geht." Durch seine vorangegangene Neutralität könne der Papst dann als "ehrlicher Makler" auftreten, erklärte der Kirchenhistoriker und Priester. "Einer der vornehmsten Aufgaben des Papstes ist es ja, den Frieden zu vermitteln und den Frieden zu fördern."

Dabei ist mit Frieden laut Samerski jedoch nicht zwingend schon das endgültige Schweigen der Waffen gemeint. Päpstliche Friedensinitiativen könnten allerdings Effekt auf niederschwelliger und humanitärer Ebene haben. Im Ukraine-Krieg könne das etwa ein Hinwirken auf Gefangenenaustausch oder die Rückführung von ukrainischen Kindern sein, die von Russland entführt worden sein sollen. "Da ist der Papst eine Größe und hat ein Potenzial, das man ausschöpfen sollte", betonte der Kirchenhistoriker.

Kardinal Zuppi: Friedensmission im Ukraine-Krieg im Auftrag Jesu

Unterdessen äußerte sich der italienische Kardinal Matteo Zuppi zu seiner vom Papst gewollten Friedensmission im Ukraine-Krieg. Der Erzbischof von Bologna und Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz sprach allerdings ausschließlich über die theologische Grundidee dieses Auftrags, ohne konkrete Schritte anzudeuten. Es sei Jesu Vorbild und sein Auftrag an die Kirche, alle zu begleiten, "die sich verletzt, aggressiv und verbittert fühlen, weil ihre Hoffnungen erschöpft sind".

In diesem Zusammenhang erinnerte der Kardinal an "die Angst, die auf der Seele des ukrainischen Volkes lastet, das sich nach Frieden sehnt, und alle, die jemanden betrauern, der nicht mehr nach Hause zurückgekehrt ist, weil er von der brudermörderischen Maschine des Krieges verschlungen wurde". Weiter sagte Zuppi: "Der Herr treibt uns an, dass wir uns auf den Weg machen, um erloschene Herzen wieder zu wärmen und in ihnen neue Liebe und neue Hoffnung zu wecken."

Der Kardinal äußerte sich in einer Predigt im Petersdom zum Abschluss der Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz, die seit Montag im Vatikan tagte. Am Samstag hatte der Presseprecher der Konferenz angekündigt, dass Zuppi angesichts seines besonders heiklen Auftrags vorerst keine inhaltlichen Auskünfte zu einer möglichen Friedensmission geben werde. (tmg/KNA)